Zur selben Zeit, als Edgeworth und Kuiper ihre Theorie äußerten, dass es außerhalb der Neptunbahn einen Gürtel von Himmelsobjekten gebe, aus dem die kurzperiodischen Kometen stammen, griff der holländische Astronom Jan Oort eine Annahme auf, die Ernst Öpik 1932 vorgebracht hatte und die die Herkunft der langperiodischen Kometen betraf, d.h. jener Kometen, deren Periode größer als 200 Jahre ist.
Eigenschaften der Wolke:
Oort ging davon aus, dass sich außerhalb des Sonnensystems eine Materiewolke befindet, die weitaus größer als der Kuiper-Gürtel sein müsse und in der es Milliarden (oder gar hunderte von Milliarden) von Kometenkernen gebe. Der Theorie nach umschließt die von Oort angenommene „Wolke“ die übrigen Zonen des Sonnensystems schalenförmig in einem Abstand zur Sonne von bis zu 100.000 Astronomischen Einheiten (AE), was rund 1,6 Lichtjahren entspricht. Im Vergleich dazu ist der nächste Stern Proxima Centauri 4,2 Lichtjahre und der sonnenfernste Planet Neptun 30 AE von der Sonne entfernt. Die vom Sonnenwind maßgeblich durchströmte Heliosphäre hat einen geschätzten Radius von etwa 110 bis 150 AE. Schätzungen der Anzahl der Objekte liegen zwischen einhundert Milliarden und einer Billion. Vermutlich geht die Oort’sche Wolke kontinuierlich in den Kuipergürtel über, dessen Objekte allerdings gegen die Ekliptik konzentriert sind.
Die Wolke sollte von kugelförmiger Gestalt sein, was auch erklären würde, warum die Bahnen der langperiodischen Kometen so stark gegen die Ekliptik geneigt sind. Die langperiodischen Kometen scheinen aus allen Richtungen zu kommen, was ebenfalls dafür spricht, dass sie aus einem kugelförmigen Raum stammen.
Im Gegensatz zum Kuiper-Gürtel kann man sich bei der Oortschen Wolke nicht auf direkte Beobachtungen stützen. Die Körper, die sich darin befinden, sind zu weit entfernt und zu dunkel, als dass man sie mit den heute zur Verfügung stehenden Teleskopen beobachten könnte.
Die Oort’sche Wolke besteht nach heutiger Auffassung aus Gesteins-, Staub- und Eiskörpern unterschiedlicher Größe, die bei der Entstehung des Sonnensystems und dem Zusammenschluss zu Planeten übrig geblieben sind. Diese sogenannten Planetesimale wurden von Jupiter und den anderen großen Planeten in die äußeren Bereiche des Sonnensystems geschleudert. Durch den gravitativen Einfluss benachbarter Sterne wurden die Bahnen der Objekte mit der Zeit so gestört, dass sie heute nahezu isotrop in einer Schale um die Sonne herum verteilt sind. Wegen der weit größeren Entfernung zu den Nachbarsternen sind die Objekte der Oort’schen Wolke trotz ihres relativ großen Abstandes zur Sonne gravitativ an diese gebunden, also feste Bestandteile des Sonnensystems.
Die Reise eines langperiodischen Kometen:
Die Kometenkerne der Oortschen Wolke sind so weit von der Sonne entfernt, dass sie als Körper aus Gestein und Eis natürlich völlig unsichtbar sind. Es kommt jedoch immer wieder vor, dass einer dieser Körper durch die Gravitation eines Planeten oder eines relativ nah vorüberziehenden Sterns in seiner Bahn gestört und ins Innere des Sonnensystems gelenkt wird. Dort entwickelt er einen Schweif und wird für uns sichtbar. Wird der Komet nicht von der Gravitation der Sonne eingefangen, kehrt er schließlich wieder in die dunklen Tiefen des Raums zurück und lässt sich erst wieder nach sehr langer Zeit, vielleicht nach tausenden oder gar Millionen Jahren, im Inneren des Sonnensystems blicken.